Reportage
Mozart auf dem Lkw
OperaCamion unterwegs auf Italiens Plätzen
Reportage
Mozart auf dem Lkw
OperaCamion unterwegs auf Italiens Plätzen
Über das Projekt
Ein Lastwagen wird zum mobilen Kleintheater: Der so genannte Opern-Lkw fährt im Sommer von Piazza zu Piazza und bringt die großen Opern zu all jenen Italienerinnen und Italienern, die sich keine Eintrittskarte leisten können oder die zu weit weg wohnen. Unter freiem Himmel, gratis, aber genauso hochkarätig besetzt, wie in der römischen Oper, die das Projekt auf die Beine gestellt hat. An einem Sommerabend war ich dabei, habe mit Künstlern und Gästen gesprochen und bin seitdem Don-Giovanni-Fan.
Mobiles Opern-Erlebnis in Italien
Ein letztes Mal spielt sich das Orchester warm, während Zuschauer um sie herum ihre mitgebrachten Klappstühle aufstellen. Mozarts Don Giovanni mitten auf dem Marktplatz, gratis, das lockt an diesem Abend in Frascati viele an, die sonst eher selten oder niemals in die Oper gehen. Rentner Franco hat seinen eigenen Hocker mitgebracht und etwas zu Knabbern.
Mir gefällt es, Opern zu hören, aber ich habe nie die Gelegenheit gehabt nach Rom zu fahren und eine anzuschauen, auch wenn das nah ist. Höchstens mal ab und zu im Fernsehen. Die wichtigen, wie Aida, mir fallen noch nicht mal andere Namen ein. Aber hin und wieder höre ich sie gerne.
Zugang zu Hochkultur für alle, die Hemmschwelle senken, das ist es, was das Projekt „OperaCamion“ bewirken soll. Ins Leben gerufen hat es das Teatro dell’Opera in Rom – gemeinsam mit Sponsoren und den Kommunen, erzählt Direktor Carlo Fuortes.
Es ist ein Projekt, das versucht die Oper auf das Level der Popularität zurückzubringen, auf dem es ursprünglich war, hunderte Jahre lang. Das Theater wird ja oft eher als eine Art sakraler Ort angesehen. Indem wir die Oper nun auf öffentliche Plätze bringen, außerhalb des Theaters, wollen wir diesen öffentlichen Charakter der Oper zurückbringen.
Nach dem Erfolg im vergangenen Jahr, hat der Opern-Truck in diesem Sommer insgesamt acht Mal Station gemacht. Rund um Rom und im Erdbebengebiet Amatrice. Dabei ist es Fuortes wichtig zu betonen, dass die künstlerische Inszenierung mit der in seinem Opernhaus mithalten kann.
Das ist keine Reduktion, keine Vereinfachung. Es ist eine Oper, die mit derselben Aufmerksamkeit gemacht wurde – ob musikalisch oder der Inszenierung, des Bühnenbildes. Es ist also ein wahres Spektakel, das diesem Namen gerecht wird.
Die Nähe zum Publikum macht den Charme aus
Jung sind die Künstler, die auf der mobilen Bühne durch Italien touren. Die Kostüme in schrillen Farben, die Gesichter weiß geschminkt – so drängen sie sich in die improvisierte Umkleidekabine im Jugendclub der Stadt, nur wenige Schritte von der Piazza entfernt. Reut Ventorero, Mezzosopran, zupft noch einmal ihre Zöpfe zurecht.
Ich persönlich finde, dass ich mehr Freiheit habe zu kommunizieren, mit dem Publikum. Und außerdem gibt es diese Freiheit weil es draußen ist an der frischen Luft. Da gibt es eine sehr starke Energie, weil das Publikum viel näher ist.

Ein Lkw wird zur mobilen Bühne, wie hier in Frascati, einem Vorort von Rom (© Sarah Zerback)
Die Freiluft-Akustik ist die größte Herausforderung
Die 30-jährige gebürtige Israelin spielt die Zerlina. Sie war von Anfang an dabei, musste sich zunächst aber an die besondere Akustik gewöhnen – die von Vorstellung zu Vorstellung variiert.
Es ist ein bisschen seltsam, weil wir daran gewöhnt sind, immer den schönen Ton zu suchen. Und das funktioniert draußen nur mit Verzögerung. Also musst du dir selbst sehr vertrauen und den Regisseur anschauen, die Techniker, weil wir ja mit Mikrofonen singen. Darauf muss ich vertrauen und aus dem Herzen singen – so geht es mir.
Wenige Minuten später steht sie auf dem weißen Lkw, der zur Bühne umgebaut wurde. Auf zwei Ebenen klettern, rutschen, wirbeln die Künstler, nutzen selbst das Fahrerhaus für die Geschichte des üblen Herzensbrechers Don Giovanni. Nur das gelegentliche Knarzen der Boxen zeigt, dass Oper unter freiem Himmel doch ein wenig anders klingt. Und auch das Rascheln von Chipstüten, bellende Hunde und quengelnde Kinder sind im Opernhaus eher selten. Doch gerade das mache den Charme des OperaCamion aus, sagt die junge Mutter Francesca.
Mir gefällt die Idee sehr, die Oper auf einen Platz zu bringen, sie den Kindern zu zeigen, die dabei nicht wie im Theater still sitzen müssen, ohne, dass sie die Sänger stören.
Dass auch nach zwei Stunden, als Don Giovanni schließlich zur Hölle fährt, noch die gesamte Piazza gefüllt ist, zeigt: Der OperaCamion kommt an. Und auch im kommenden Jahr wird er wieder auf Tour gehen.