Reportage
"Wir geben nicht auf"
Reportage aus dem Ort des Epizentrums Montereale
Reportage
"Wir geben nicht auf"
Reportage aus dem Ort des Epizentrums Montereale
Über das Projekt
Monatelang war die Erde Mittelitaliens nicht zur Ruhe gekommen, nach dem schweren Beben 2016, als in Amatrice kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist und 300 Menschen ihr Leben verloren haben. Das steckt nicht nur den Bewohnern der Region in den Knochen, sondern hat auch viele Häuser angeknackst. Als es dort dann am 18. Januar 2017 noch einmal heftig bebt, sorgen Minusgrade, Massen an Schnee und beschädigte Stromleitungen für zusätzlich erschwerte Bedingungen – auch für die Berichterstattung.
Kurz nach dem Beben war ich in Rom, um das ARD-Studio zu verstärken. Und wenig später auch schon im Mietwagen auf dem Weg in die Region, um mir ein Bild von der Lage zu machen und mit Anwohnern und Rettern zu sprechen. Dabei ist auch diese Reportage in dem kleinen Dorf Montereale entstanden, dort, wo Tage zuvor das Epizentrum des Bebens lag.
Audio
Datum
Januar 2017
Reportage aus dem Ort des Epizentrums Montereale
Ich ziehe um. Ich muss woanders hin, weil das Büro in der ersten Etage ist und das ist ziemlich beschädigt. Da gibt es jetzt keine Garantie.
Fundamentale Baumaßnahmen, es bräuchte Maßnahmen, um das Haus erdbebensicher zu machen. Oder vielleicht sollte man das Haus gleich ganz abreißen.
© Sarah Zerback
Die schwierigsten Einsätze sind eindeutig die, bei denen es um Menschen mit Behinderung geht oder in abgelegenen Gegenden wohnen – Da kommen wir dann nur mit schwerem Gerät hin. Die Menschen hier sind schon ziemlich besorgt. Auch weil die Beben weitergehen. Das letzte Mal heute Morgen mit 2,9 auf der Richterskala. Das hat man gerade mal so gespürt, aber im Moment sind die Menschen extrem sensibel. Auch bei kleinen Stößen haben sie große Angst, das ist das Problem.
Ehrlich gesagt werden wir ein bisschen auf die Probe gestellt von dieser Konzentration an Notfällen – das landet ja alles bei uns. In den Abruzzen haben wir Farindola, das von der Lawine weggerissen wurde, wir haben Erdbeben- und Schneeeinsätze, heute auch noch den Helikopterabsturz – hoffen wir mal, dass es das jetzt war.
Ich hatte Angst, sehr sogar. Das war so stark. Alles hat sich bewegt, die Wände, die Decke, der Boden. Wir sind dann rausgegangen, da ist uns der Schnee von den Dächern entgegengeflogen – es war als ob alles auseinanderbrechen würde. Das war der Horror.
Es ist niemand geblieben. Die Geschäfte machen morgens auf, aber bleiben ab dem Nachmittag geschlossen, alle sind weg. Wenn du nach draußen schaust, siehst du nur Polizei. Wir sind wirklich kurz vor der Pleite. Die Wirtschaft hier ist am Ende, die gibt es nicht mehr.
Wir haben Probleme mit den Höfen. Ein Stall ist am Morgen des Erdbebens eingestürzt. Das hat die Tiere getötet. Wir brauchen Infrastruktur, für die Tiere, aber natürlich auch für die Menschen. Schon vor den jüngsten Beben waren 500 Häuser nicht bewohnbar. Und jetzt ist es noch schlimmer geworden.
© Sarah Zerback
Erstmal versuche ich Floskeln zu vermeiden wie: Machen Sie sich keine Sorgen, etc. Ich versuche alles zu tun, um die Menschen zu beruhigen. Sei es praktisch oder psychologisch gesehen. Damit sie sich beschützt fühlen und geborgen.
In dieser Gegend wissen wir seit Jahrhunderten, dass es Erdbebenrisiken gibt. Wir müssen die Menschen in Sicherheit bringen. Doch das Hauptproblem in Italien ist die Bürokratie. Es wurde ein bürokratisches System kreiert, wo man Monate, Jahre braucht um ein Projekt genehmigt zu bekommen. Das ist verrückt.